Der große Glas-Guide: alles über Einscheibensicherheitsglas (ESG)
Von der Fensterscheibe über die Tischplatte bis hin zur Duschkabine: Im Alltag sind wir so umgeben von Glas, dass eine unachtsame Bewegung genügt, und schon liegt eine Scheibe in Scherben. Für alle, die weder auf ihre gestalterische Freiheit noch auf die luftige, moderne Optik von Glas im Innenraum verzichten wollen, schafft Einscheibensicherheitsglas (ESG) zuverlässige Abhilfe.
Ein Ball gegen das Fenster? Beim Ausholen mit dem Besen gegen die Duschkabine gestoßen? Schwere Kisten auf dem gläsernen Regalboden? Alles kein Problem: ESG hält Schlägen, Stößen und auch schweren Lasten Stand.
Aber was verleiht dem Sicherheitsglas die charakteristische Stärke? Und was gibt es bei Kauf und Montage von ESG zu beachten? In diesem Artikel erfahren Sie von der Produktion bis zur richtigen Verarbeitung alles, was Sie über Einscheibensicherheitsglas wissen müssen.
Was ist Einscheibensicherheitsglas?
ESG wird oftmals als gehärtetes Glas bezeichnet – denn seine Widerstandskraft verdankt dieses Sicherheitsglas einer Hitzebehandlung. Das sogenannte thermische Vorspannen macht sich Temperaturunterschiede innerhalb der Glasscheibe zunutze, um Spannung zu erzeugen.
Wie wird ESG hergestellt?
600 °C werden zur Herstellung von ESG benötigt.
Einscheibensicherheitsglas besteht immer aus einer einzelnen Scheibe Glas. Diese erhitzen Glashersteller gleichmäßig auf mehr als 600 °C und kühlen sie anschließend schnell wieder ab, indem sie die Scheibe von beiden Seiten gleichmäßig mit Luft anblasen. Durch diese beiden gegenläufigen Prozesse entsteht die für vorgespanntes Glas typische Spannung.
Der heiße Kern versucht, sich auszudehnen, und drückt dabei gegen die bereits starre, ausgekühlte Oberfläche. Diese Druckspannung bleibt auch nach dem vollständigen Abkühlen erhalten und wirkt ausgleichend auf Stöße und Schläge, die auf die Scheibe einwirken.
Erst wenn mehr Kraft von außen auf die Oberfläche einwirkt als von innen, kommt es zum Glasbruch – denn bei kleineren Schäden hält der Druck aus dem Inneren der Scheibe das Glas zusammen.
Besteht bei Einscheibensicherheitsglas das Risiko eines Spontanbruchs?
Zerbricht Sicherheitsglas ohne Krafteinwirkung von außen, ist von einem Spontanbruch die Rede. Grund hierfür können winzige Einschlüsse von Nickelsulfid im Glas sein, die sich mit der Zeit ausdehnen. Das bewirkt eine Druckveränderung im Inneren der Scheibe, die nach und nach die Spannung aus dem Gleichgewicht bringt. Ist ein kritischer Punkt erreicht, zerspringt das Glas – scheinbar ohne Grund.
Nickelsulfid kann in seltenen Fällen zum Spontanbruch führen.
Die gute Nachricht: Diese gefährlichen Einschlüsse aus Nickelsulfid sind überaus selten. Die weniger gute Nachricht: Für das bloße Auge und leider auch für alle aktuellen Mittel der automatischen Qualitätskontrolle sind sie nicht zu erkennen. Die einzige Möglichkeit, das Risiko eines Spontanbruchs noch weiter zu senken, besteht daher in der Durchführung eines Belastungstests.
Bei Temperaturen über 379 °C ist Nickelsulfid stabil. Die gefährliche Ausdehnung beginnt erst, wenn es abzukühlen beginnt. Um seine Stabilität zu beweisen, muss Einscheibensicherheitsglas daher über einen Zeitraum von mehreren Stunden eine Temperatur zwischen 280 °C und 300 °C aushalten. Das ist der sogenannte Heat Soak Test. Einscheibensicherheitsglas, das ihn ohne Bruch bestanden hat, wird auch ESG-H genannt, heißgelagertes Einscheibensicherheitsglas.
Welche Materialvarianten für ESG gibt es?
Je nach Verwendungszweck kann Einscheibensicherheitsglas in unterschiedlichsten Maßen, Stärken und auch Farben hergestellt werden. Da das Vorspannen weder die Oberflächenstruktur noch die Farbe des Glases verändert, eignet sich als Ausgangsmaterial nicht nur klares Floatglas, sondern auch getöntes Glas oder mit Reliefs verziertes Ornamentglas. Lackierungen auf dem fertigen ESG ermöglichen zudem eine große Farbpalette.
Für klares Einscheibensicherheitsglas mit maximaler Schutzwirkung ist allerdings ein besonderes Ausgangsmaterial erforderlich, denn je dicker das Glas, desto grünlicher wirkt es. Dieser Effekt ist keine Eigenheit von ESG, sondern eine schlichte Folge der Lichtbrechung: Durch dicke Scheiben dringt nicht jedes Lichtspektrum gleich gut. Grün und Blau werden teilweise reflektiert und verleihen dem Glas einen leichten Farbstich.
Das bedeutet aber keineswegs, dass dickes Einscheibensicherheitsglas ohne Farbakzent unmöglich ist. Als Ausgangsmaterial müssen wir hier nur zu extra klarem Glas wie Optiwhite greifen. Seine große Lichtdurchlässigkeit ermöglicht klares Sicherheitsglas in allen Stärken.
Wie sicher ist Einscheibensicherheitsglas?
Wie auch bei Verbundsicherheitsglas gilt: Einscheibensicherheitsglas ist nicht bruchresistent, es ist bruchsicher. Das bedeutet, dass es grundsätzlich zerbrechen kann, dafür aber eine deutlich größere Krafteinwirkung notwendig ist als bei einer unbehandelten Glasscheibe. Je dicker das ESG, desto größer fällt auch die Schlag- und Stoßresistenz aus.
Hinzu kommt die zweite besondere Eigenschaft von ESG, denn das Vorspannen schützt nicht nur die Scheibe vor dem Zerbrechen, sondern auch dich und deine Lieben vor Verletzungen. Ist die Krafteinwirkung so hoch, dass ESG zerbricht, entstehen aufgrund des großen Drucks im Inneren der Scheibe nicht Scherben und Splitter, sondern sehr kleine Krümel mit abgerundeten Bruchkanten. Dadurch kann ESG im Fall eines Unfalles maßgeblich dazu beitragen, Schnittverletzungen zu verhindern.
Wofür wird ESG eingesetzt?
Einscheibensicherheitsglas ist das am weitesten verbreitete Sicherheitsglas. Vom Sichtschutz über die Tischplatte bis zur Glasfassade verleiht es den unterschiedlichsten Projekten im Innen- und Außenbereich zusätzliche Widerstandskraft.
Diese Vielseitigkeit in der Anwendung ist zunächst der Tatsache geschuldet, dass du ESG montieren kannst wie jedes andere Flachglas auch: Du kannst es mit handelsüblichen Verlegeprofilen oder Klemmen entlang der Kanten befestigen oder festschrauben. Das ermöglicht den Einsatz von ESG überall dort, wo du die lichtdurchflutete Optik von Glas mit besonderem Schutz verbinden möchtest.
Darüber hinaus kannst du ESG nicht nur als einzelne Scheibe verwenden, sondern auch in Form noch stärkerer Spezialgläser. Einscheibensicherheitsglas kann sowohl zu Verbundsicherheitsglas als auch zu Mehrscheiben-Isolierglas (MIG) verarbeitet werden. Möchtest du also die Bruchsicherheit noch weiter steigern oder die Stärken des Sicherheitsglases mit Hitzeschutz verbinden, kannst du auf ein Spezialglas zurückgreifen, das eine oder mehrere Scheiben ESG enthält.
Was gibt es beim Bearbeiten von ESG zu beachten?
Das Vorspannen verleiht dem Einscheibensicherheitsglas einerseits seine besondere Stärke, erschwert jedoch gleichzeitig die Bearbeitung. Bohren, Schneiden und auch das Abschleifen der Kanten können die Druckspannung in der Scheibe aufheben und somit leicht zum Glasbruch führen. Alle notwendigen Bearbeitungsschritte sollten daher vor der Hitzebehandlung erfolgen.
Aus diesem Grund ist es ratsam, ESG immer exakt auf die Maße deines aktuellen Projekts zugeschnitten zu kaufen. Erfordert die Montage Bohrlöcher oder ein bestimmtes Kantenprofil, kannst du diese bei den meisten Anbietern auch individuell bestellen. Das bedeutet zwar einerseits, dass Einscheibensicherheitsglas präzise Planung erfordert, erlaubt es dir aber andererseits, dich auf die Montage zu konzentrieren und dein Projekt umso schneller in die Tat umzusetzen.
Einscheibensicherheitsglas oder Verbundsicherheitsglas?
Einscheibensicherheitsglas eignet sich sehr gut für den Innenraum.
Welches Sicherheitsglas für welches Projekt zu empfehlen ist, hängt ganz davon ab, vor welcher Art von Schaden das Glas im konkreten Fall schützen soll. Einscheibensicherheitsglas kommt vor allem dort zum Einsatz, wo im Fall eines Glasbruchs das Risiko von Schnittverletzungen besonders hoch wäre. Aus diesem Grund eignet es sich besonders gut für den Innenausbau, sei es als Regalboden, Tischplatte oder Wand für die Duschkabine.
Verbundsicherheitsglas hilft indes auch dabei, zerbrochenes Glas zuverlässig an Ort und Stelle zu halten. Dadurch kann es einerseits vor herabfallenden Scherben schützen und andererseits vor dem Sturz durch eine zerbrochene Scheibe. Für die Absicherung von Fenstern in den oberen Stockwerken sowie für die meisten Anwendungen im Außenbereich ist es daher besser geeignet als ESG.
Einscheibensicherheitsglas für dein Projekt? Aber sicher
Individuelle Gestaltung mit ESG.
Ob als kindersichere Tischplatte, moderner Raumteiler aus matt lackiertem Glas oder doch in Form von Verbundglas und Isolierglas: ESG bietet dir vielfältige Möglichkeiten, um dein Heim so schön wie sicher zu gestalten. Deiner Kreativität sind dabei keine Grenzen gesetzt, denn Einscheibensicherheitsglas ist nicht nur in einer Vielzahl von Stärken erhältlich, sondern sollte ohnehin stets individuell für deine Projekte zugeschnitten werden.
Gleichzeitig kannst du von getöntem ESG bis Ornamentglas aus einer Vielzahl an Farben und Mustern schöpfen oder das Glas einfach selbst lackieren. So verwandelt sich das Sicherheitsglas in einen Werkstoff, der nicht nur deinen Alltag unkomplizierter gestaltet, sondern sich auch flexibel an deinen Stil anpasst.
Titelbild von Chris Barbalis. Weitere Bilder von Jan Huber, Ivan Vranić, Scott Webb und Sidekix Media.